Sozialer Zusammenhalt in Zeiten der Pandemie

Beitrag für die Stadtzeitung von Dr. Iris Sardarabady

Die Corona-Krise trifft die Welt mit voller Härte. Weltweit stellt sie Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Individuen vor bisher ungeahnte Herausforderungen. Die mittlerweile getroffenen Maßnahmen verändern das Leben aller Menschen, wenn auch in unterschiedlicher Intensität.

Die ökonomischen und sozialen Folgen sind zurzeit noch nicht absehbar. Nun wird es darauf ankommen, das gesellschaftliche Ganze im Blick zu haben. Viele Menschen haben bereits jetzt Existenzängste: Selbständige, die durch die Ladenschließungen ohne Einnahmen sind, oder Angestellte, denen die Kurzarbeit oder gar die Kündigung droht. Andere, die in systemrelevanten Bereichen wie u.a. im Gesundheitswesen beschäftigt sind, arbeiten bis zur Erschöpfung.

Die extreme Einschränkung des öffentlichen Lebens und das Zurück-Geworfen-Sein auf den privaten Bereich trifft alle – diejenigen, die sich große Sorgen um ihre Existenz machen müssen, wie Geringverdienende und Hartz 4-Empfänger*innen, jedoch härter als andere. Alltagsstrukturen wie Kita-, Schulbesuch, Erwerbstätigkeit und soziale Kontakte brechen weg. Familien, aber auch berufstätige Alleinerziehende, fühlen sich mit all den neuen Fragen überfordert – insbesondere, wenn man „rund um die Uhr“ auf engem Raum zusammenlebt. Spannungen, aber auch Fälle häuslicher Gewalt werden, wie Zahlen aus China und Italien nahelegen, deutlich zunehmen.

Auch Menschen, die zwar mitten in der Gesellschaft, aber nicht unbedingt im Blickfeld sind, drohen nun durch das Raster zu fallen: Obdachlose, die aufgrund der getroffenen Maßnahmen tagsüber keinen Aufenthaltsort mehr haben, Prostituierte, die keinerlei Einnahmen mehr haben oder auch alte Menschen in Heimen, die von ihren Angehörigen isoliert sind.

Solidarität oder: Wer ist “Wir”?

Die Frage wird sein, wie stark jetzt der viel beschworene soziale Zusammenhalt ist und wo das „Wir“ und die Solidarität enden. Auch in Karlsruhe sind gegenläufige Szenarien zu beobachten: Gleichgültigkeit sogenannten Randgruppen gegenüber und Egoismen, die sich nicht nur in Hamsterkäufen ausdrücken. Aber auch eine Welle an Hilfsbereitschaft und Kreativität, die immer spürbarer wird.

Passend zum städtischen Konzept der sozialen Quartiersentwicklung haben sich in kurzer Zeit viele Gruppen gebildet, die bereit sind, Verantwortung für Hilfsbedürftige zu übernehmen. Um lebendige Nachbarschaftshilfe zu fördern, werden Botengänge und Einkäufe übernommen oder Lebensmittel gespendet.

Angesichts der großen Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben, braucht es viele Zeichen der Solidarität – einer Solidarität, die aber nicht nur auf Karlsruher*innen und Deutschland beschränkt bleiben darf. In einer globalisierten Welt, in der die einen weltweit reisen und in der andere fliehen müssen, hält sich das Virus nicht an Grenzen.
Die Corona-Krise lässt in der öffentlichen Wahrnehmung das Leid von Schutzsuchenden, die Gewalt und die humanitäre Katastrophen in den Hintergrund treten. Auch die Geflüchteten an unserer europäischen Außengrenze sind auf unsere grenzenlose Solidarität angewiesen. Gerade jetzt ist es wichtig, zusammen zu halten.
Nur wenn wir es schaffen, das Denken in individuellen Egoismen und nationaler Kleinstaaterei zu überwinden und zusammenzuhalten ohne Trennungen in „Wir“ und „Ihr“, gibt es eine Chance, etwas aus der Pandemie zu lernen.

Dr. Iris Sardarabady, Sprecherin für Migration und Integration

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