Tariftreue bei öffentlichen Vergaben

Interfraktioneller Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, KAL/Partei, Linke

Antrag

  1. Die Stadtverwaltung nimmt künftig bei jeder Vergabe von Dienstleistungen die Anwendung von Tarifverträgen und die Tariftreue der ausführenden Unternehmen und beteiligter Nachunternehmen als Ausführungskriterium (§128 Abs. 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) auf.
  2. Die Verwaltung berichtet gegenüber dem Gemeinderat jährlich über die Anwendung der Tariftreue als Kriterium bei Vergaben. Wird die Tariftreue bei einzelnen Vergaben nicht angewendet, ist dies dem Gemeinderat gegenüber zu begründen.
  3. Die Einhaltung der Tariftreue durch die Unternehmen wird stichprobenartig überprüft.
  4. Die Stadt Karlsruhe setzt sich beim Land Baden-Württemberg für eine Novellierung des Landestariftreue- und Mindestlohngesetz (LTMG) ein, sodass die Tariftreuepflicht auf weitere Branchen ausgeweitet wird.

Sachverhalt/Begründung

Die Stadt Karlsruhe trägt große gesellschaftliche Verantwortung bei der Vergabe von Aufträgen. Viele Aufträge werden an Unternehmen aus Karlsruhe oder der Region vergeben und sichern so Wertschöpfung und Arbeitsplätze vor Ort. Mit ihrer wirtschaftlichen Kraft muss die Stadt aus Sicht der antragstellenden Fraktionen gleichzeitig aber auch für gute Arbeitsbedingungen eintreten.

Die Tarifverträge haben nicht nur Vorteile (Entlohnung, Arbeitsbedingungen) für die einzelnen Beschäftigten, sondern auch gesamtgesellschaftlich. Damit wird aktiv Abstiegsprozessen in Armut und mangelnde Teilhabe entgegengewirkt. Es werden höhere Beiträge für die Sozialversicherungen gezahlt, ebenso führen sie zu höheren Steuereinnahmen, die letztendlich den Kommunen wieder zur Verfügung stehen.

Daher muss bei Vergaben von Lieferungen und Leistungen in jedem Einzelfall dafür gesorgt werden, dass die ausführenden Unternehmen die branchenweiten Tarifbedingungen erfüllen. Die in den Tarifverträgen ausgehandelten Bedingungen sind die Mindestbedingungen, die alle Marktteilnehmer*innen erfüllen können. Der Wettbewerb wird dadurch nicht beschränkt.

Die bestehenden Vorgaben aus dem Landestariftreue- und Mindestlohngesetz (LTMG) sind dabei nicht ausreichend, da nur für Verkehrsdienstleistungen eine Verpflichtung zur Tariftreue gefordert ist. Solange das Land diese Regelungen nicht auf alle Branchen ausweitet, sollte die Stadt Karlsruhe dies selbstständig anwenden und eine Vorreiterrolle einnehmen.

Die Corona-Krise zeigt zudem, wie wichtig gute Arbeitsverhältnisse sind. In Betrieben mit Tarifverträgen sind die Arbeitsplätze auch in der Krise deutlich sicherer und die Bezüge über das Kurzarbeitergeld für die einzelnen Arbeitnehmer*innen sind höher.

Unterzeichner*innen:

Aljoscha Löffler, Verena Anlauf, GRÜNE Fraktion

Parsa Marvi und SPD-Fraktion

Michael Haug, Max Braun, Fraktion KAL/DIE PARTEI

Karin Binder, Lukas Bimmerle, LINKE Fraktion

Der Antrag wurde auf der Gemeinderatssitzung am 29.09.20 unter TOP 14 beraten; hier der Redebeitrag von Aljoscha Löffler dazu.
Nach lebhafter Debatte wurde das Anliegen in den Hauptausschuss verwiesen, um einige – aus Sicht der Antragsteller*innen nicht erschöpfend beantwortete Fragen – abschließend behandeln zu können.
Im November 2020 wurde das Thema dann in sofern abgeschlossen, als die Verwaltung anbot eine Vergabe pilothaft auf der Basis der im Antrag genannten Vorgaben durchzuführen.

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