Karlsruhe auf dem Weg zur Innovativen Pflege?

Auswertung des Projektes: Pflegedauer, Pflegekosten, Pflegekräfte im ambulanten Bereich

Anfrage:

  1. Wie schätzt die Verwaltung folgende auf dem Fachtag vom 5.10.22 zur Evaluation des Projekts „Innovative Pflege“ (von 2019-2021) geäußerte These ein:
    Die Sozialbetreuung und Gesundheitsinformationen innerhalb der „Innovativen Pflege“ führen dazu, dass Senior*innen im Durchschnitt länger in der ambulanten Pflege verbleiben und erst später in die stationäre Pflege wechseln müssen. Dadurch entfallen der Verwaltung Kosten für die stationäre Pflege bei bedürftigen Menschen.
  2. Welche Möglichkeiten sieht die Verwaltung, von den Pflegekassen Daten über die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der ambulanten Pflege zu erhalten?
  3. Wie schätzt die Verwaltung aufgrund von quantitativen Daten oder aufgrund ihrer fachlichen Einschätzung die Aussage ein, dass Pflegekräfte im ambulanten Pflegebereich durch das Konzept der „Innovativen Pflege“ besser gehalten oder gewonnen werden können?
  4. Wie hoch ist der Anteil und die absolute Zahl der stationär zu pflegenden Senior*innen, bei denen die Kosten für das Pflegeheim von der Verwaltung/ vom Sozialamt übernommen werden?
  5. Wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten pro stationär zu pflegender Person in einem Monat bei Personen mit Unterstützungsbedarf durch die Stadt Karlsruhe?
  6. Wie ist die Kostenentwicklung in diesem Bereich in den letzten Jahren und wie prognostiziert die Stadtverwaltung diese für die nächsten Jahre?

Sachverhalt/Begründung:

Um besser einschätzen zu können, welche Auswirkungen die Unterstützung des Aufbaus einer ganzheitlich orientierten ambulanten Senior*innenpflege anknüpfend an die erfolgreichen Projekte „Innovative Pflege“ auf die Ressourcen der Stadt hätte bzw. ob an dieser Stelle womöglich sogar ein Einsparpotential vorliegt, das wiederum für die Senior*innen in der Sozialbetreuung innerhalb der Pflege verwendet werden könnte, erbitten wir Antworten auf die aufgeworfenen Fragen.

Ein interfraktioneller Antrag von SPD und Grünen hatte zu dem Projekt „Innovative Pflege“ orientiert an der ambulanten Buurtzorg-Pflege in den Niederlanden geführt. Kernelemente sind, dass die Senior*innen nicht nur gepflegt, sondern mit einem klaren Zeitkontingent auf ihre sozialen Bedürfnisse eingegangen wird und sie in die Quartiers- und ehrenamtliche Arbeit eingebunden werden, ein zunehmend wichtiger Faktor angesichts der demografischen Entwicklung.

Auf einem Fachtag hierzu stellten die beiden Träger die Ergebnisse ihres Projektes dar:

Im Vergleich zu Zahlen der Barmer Krankenkasse befanden sich die Senior*innen, die im Rahmen dieses Projektes versorgt wurden, länger in der ambulanten Pflege, bevor sie in die stationäre Pflege wechseln mussten. Damit wäre deutlich, dass die Senior*innen so bedürfnisgerechter versorgt wurden.

Außerdem ist damit die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich die Kosten zur Unterstützung der Innovativen Pflege für die Verwaltung wirtschaftlich rentieren, da diese bereits heute einen hohen Kostenanteil der stationären Pflege bezahlen muss, während man von deutlich steigenden Kosten ausgehen muss.

Ziel der Anfrage ist es, diese Einschätzungen und Erfahrungen durch weitere Zahlen zu überprüfen.

Ein weiterer Aspekt ist die Gewinnung von Pflegekräften. Durch die Projekte hatte es sich wie in den Niederlanden bestätigt, dass die ganzheitliche Pflege und Betreuung auch den Bedürfnissen der Pfleger*innen entgegenkommt und man dadurch dem Ziel näherkommt, Personal zu halten und zu gewinnen.

Eine enge Verbindung von ambulanter, (teil-)stationärer und nachbarschaftlicher Versorgung im Sinne von „Caring Communities“ ist auch ein Qualitätsfaktor einer Stadt. Für die ältere Generation hängt in ihrer pflegerischen Versorgung viel davon ab, dass bedürftige Menschen möglichst lang in ihrem Zuhause ambulant versorgt werden können, nicht nur, weil es dem Wunsch Vieler entspricht, sondern auch, da die stationären Pflegeplätze jetzt schon und in Zukunft stark steigend nicht ausreichen werden. In den letzten Jahren ist die Anzahl der stationären Pflegeplätze in Karlsruhe durch die Landesheimbauverordnung (Wechsel von 2-Bett- zu 1-Bett-Zimmern) und mangelnder Neueinrichtungen trotz der steigenden Nachfrage um mehr als 700 Plätze reduziert worden. Die Folge ist, dass Menschen unversorgt bleiben, nicht aus Krankenhäusern entlassen werden können oder Familien, in der Regel meist Frauen, aufhören zu arbeiten und die Pflege übernehmen.

Dies wird sich negativ auch auf den wirtschaftlichen Standort Karlsruhes auswirken.

Unterzeichnet von:

Yvette Melchien, Irene Moser, Elke Ernemann und SPD-Fraktion

Verena Anlauf, Michael Borner, Jorinda Fahringer und Gemeinderatsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zur Gemeinderatssitzung am 19. September 2023 erhielten wir eine Stellungnahme zu unseren Fragen.

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