Redebeitrag von Stadträtin Dr. Iris Sardarabady zu TOP 4 im Sozialausschuss am 06.10.2021
Liebe Kolleg*innen
FGM (Female Genital Mutilation) ist eine schwere Menschen- bzw. Frauenrechtsverletzung, die lebenslange physische und psychische Folgen hat. Die Istanbul-Konvention verpflichtet, auch gegen diese Form geschlechtsspezifischer Gewalt vorzugehen (Art. 38).
Ca. 70.000 Frauen sind in Deutschland betroffen. Bei einer Fachtagung an der Uniklinik Mannheim gingen Referentinnen davon aus, dass aktuell bis zu 18.000 Minderjährige davon bedroht sein könnten.
Wir schätzen es sehr, dass die Verwaltung bereit ist, gezielte Anstrengungen zu unternehmen, um das Problembewusstsein für dieses Thema zu schärfen und bedanken uns für die Vorlage.
Einige Maßnahmen wurden erfreulicherweise bereits in Angriff genommen, wie z.B. die Verbreitung des Schutzbriefes an einzelne Dienststellen oder auch die Bereitstellung von Informationen zum Thema FGM über die städtische Internetseite.
Aus unserer Sicht besteht allerdings noch auf vielen Ebenen Handlungsbedarf: Die Informationen zum Schutzbrief müssen breitenwirksamer und zugleich zielgruppenspezifisch sein und die Internetseite bedarf einer Überarbeitung insbesondere im Hinblick auf die Information über vorhandene Beratungsstellen. Obwohl in der Vorlage zwei Beratungsstellen genannt werden, wird auf der Länderliste der Internetseite für Karlsruhe keine einzige Anlaufstelle genannt (aber vier in Freiburg, eine in Rastatt, eine in Wiesloch).
Ausdrücklich erwähnt wird in der Vorlage, dass sich die befragten Frauenberatungsstellen ergänzend zum bereits bestehenden informellen Austausch auch den Aufbau professionaliserter Vernetzungsstrukturen wünschen.
Vernetzung scheint mir ein Schlüsselwort zu sein.
Insgesamt ist das Bild bezüglich der Fallzahlen sehr diffus, da es sich auf verschiedene Akteur*innen bezieht. Beratungsstellen, Gesundheitsamt und Klinikum berichten bisher von wenigen Einzelfällen. In Gesprächen mit Familienhebammen, Gynäkolog*innen, Sozialarbeiter*innen und Lehrer*innen bekam ich jedoch den Eindruck, dass auch sie immer wieder mit Betroffenen konfrontiert sind – sobald genügend Vertrauen vorhanden ist, um über dieses intime Thema zu reden.
Ein Grund für die in der Vorlage beschriebenen niedrigen Fallzahlen kann sein, dass es für Betroffene in Karlsruhe keine ihnen bekannten und auf sie zugeschnittenen Strukturen gibt. D.h. Angebote mit professionellen und kultursensiblen Ansprechpersonen, die in einem vertrauensvollen Rahmen aufklären und über medizinische Behandlungsmöglichkeiten informieren.
Der tatsächliche Bedarf kann erst gesehen werden, wenn die Hürden abgebaut und die entsprechenden Zielgruppen angesprochen bzw. erreicht sind!
Wir sind daher sehr dankbar für die grundsätzliche Bereitschaft des Klinikums, sich an der Umsetzung eines niederschwelligen Beratungsangebots zu beteiligen.
Vorbild hierfür könnte durchaus das vor zwei Jahren an der Freiburger Uniklinik eingerichtete Zentrum für Frauen mit Genitalbeschneidung sein.
Außerordentlich wichtig und unterstützend wird bei der weiteren Vorgehensweise auch die konzeptionelle Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten sein. Wir begrüßen es sehr, dass das Thema im Rahmen der Umsetzung der Istanbul-Konvention mehr in den Fokus gerät und mit einem Auftakt-Netzwerktreffen starten wird.
Unseren Antrag „Weibliche Genitalverstümmelung: Beratung und Prävention“ finden Sie hier: https://web4.karlsruhe.de/Gemeinderat/Gruene/2021/07/weibliche-genitalverstuemmelung-beratung-und-praevention/
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