Debattenkultur?

Zum letzten Mal vor der Sommerpause erscheinen die „Stimmen aus dem Gemeinderat“. Dies nehme ich zum Anlass, mich auch im Namen der CDU-Fraktion bei den allesamt ehrenamtlich arbeitenden Kolleginnen und Kollegen sowie bei den Mitarbeitenden der Verwaltung sehr herzlich für die kooperative Zusammenarbeit, die Diskussionen und mitunter auch hitzigen Debatten zu bedanken.

Zuweilen geht es in der Tat heiß her im Bürgersaal. Die Aussprachen im Gemeinderat können sieben Stunden und länger dauern. Kontrovers diskutiert wird auch in den Sitzungen der Ausschüsse, die dem Gemeinderat vorgelagert sind.

Warum schreibe ich das? Um einmal die politische Debatte zu thematisieren. Demokratische Willensbildung braucht die Diskussion. Es wird gestritten – mal sachlich, mal polemisch, mal mit mehr und mal mit weniger Überzeugungskraft. Auch der rhetorische Angriff gehört zur Streitkultur.

Was aber nicht dazugehört, sind die Beleidigung oder der Versuch der Einschüchterung. Auf dem Twitteraccount  der CDU-Fraktion finden sich in diesem Zusammenhang Stilblüten wie „Habt Ihr noch irgendeine Latte am Zaun?“, „Habt ihr Lack gesoffen?! Oder besser wie viel?“ oder „Wie viel Hirn fällt weg, wenn man die @cdu_fra_ka aus dem Stadtrat wirft?“.

Zugegeben, das ist noch milde. Die Beleidigungen, die Kolleginnen und Kollegen parteiübergreifend auf ihren persönlichen Accounts erhalten, fallen mitunter sehr viel härter und vulgärer aus. Wir stehen damit  nicht alleine da: Kürzlich veröffentlichte die Zeitschrift Kommunal eine mit dem ARD-Politmagazin Report München erstellte Umfrage unter 1000 Bürgermeistern aus ganz Deutschland zu erlebten Beleidigungen und Bedrohungen. 20 Prozent der Befragten gaben an, dass ein Mitglied der Verwaltung oder des Gemeinderates schon einmal „Hassmails“ bekommen habe.

Ähnlich unangebracht wie die verbalen Entgleisungen war der Einschüchterungsversuch vor einigen Wochen nach dem Karlsruher Gemeinderat. Nachdem der Antrag auf Ausrufung eines Klimanotstandes in Karlsruhe auf Bitte der CDU-Fraktion in den Fachausschuss verwiesen worden war, versammelten sich Unterstützer des Antrags im Halbkreis um den Eingang des Rathauses. Mit dem Ruf „Nie wieder CDU“ nahmen sie nach der Gemeinderatssitzung die Stadträte in Empfang und machten den Weg nur auf Aufforderung frei. Welcher Aufschrei wäre zu Recht durch Karlsruhe gegangen, wenn sich Anhänger links- oder rechtsextremer Parteien in entsprechender Weise verhalten hätten?

Dieser Versuch der Einschüchterung ist ebenfalls kein singulärer Vorfall: Laut der oben erwähnten Umfrage gaben 20 Prozent der Bürgermeister an, dass Mitglieder ihrer Verwaltungen oder des Gemeinderates Einschüchterungsversuche erlebt hätten.

Gehört so ein Verhalten zur politischen Debatte? Nein. Hat man das als ehrenamtlich tätiger Stadtrat nötig? Nein. Beleidigungen gegenüber politisch Verantwortlichen und Einschüchterungsversuche haben nichts in einem demokratischen Austausch zu suchen. Einsatz für Demokratie heißt Partei ergreifen für die Werte und Rechte des Grundgesetzes. Und es heißt auch, sein eigenes Verhalten gegenüber den Vertretern aus Politik und Verwaltung immer mal wieder auf persönlichen und politischen Anstand zu befragen.

Karin Wiedemann, Stadträtin